Das Projekt „Nachhaltige Entwicklung und Ernährungssouveränität: Wertschöpfung durch Gemeinwohl“ (NEUE WEGE) hat das Ziel, bio-regionale Wertschöpfungsräume für die Gemeinschaftsverpflegung zu erschließen. Bio-regionale Wertschöpfungsräume und kooperative Ernährungssysteme sind Treiber für nachhaltige Entwicklung. Die Debatte um gesteigerte Selbstversorgungsgrade durch regionale Nahrungsmittelproduktion erhält vor dem Hintergrund multipler Krisen und Lieferkettenengpässe derzeit wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Für die Entwicklung regionaler Ernährungsstrategien gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Dennoch zeichnet sich in der Auswertung der Analysen in verschiedenen Städten ab, dass es gewisse Kernelemente und wesentliche Schritte beim Aufbau regionaler Ernährungsstrategien gibt.

Die Gemeinschaftsverpflegung ist aufgrund ihrer Vorbildfunktion und enormen Kaufkraft ein kritischer Hebel und potentieller Transformationsbeschleuniger im Ernährungssystem. Sie kann zum Absatzmotor für bio-regionale Produkte werden, weil durch deren gezielten Einsatz in der Menüplanung ein Pull-Faktor entsteht. Die regionale Weiterverarbeitung von Agrar-Erzeugnissen kann gegenüber dem bloßen Rohstoffverkauf bis zu einer siebenfachen Steigerung der Wertschöpfung führen und eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, konventionelle Erzeuger und Verarbeiter für die ökologische Landwirtschaft zu gewinnen, wie Studien zeigen.
Erzeuger und Verarbeiter suchen nach stabilen Absatzmöglichkeiten jenseits der liberalisierten Märkte. Bislang ist die fehlende logistische Verknüpfung eine zentrale Schwachstelle. Gerade zwischen kleinen Landwirtschaftsbetrieben und Großküchen der Gemeinschaftsverpflegung fehlt eine effektive regionale Logistik. Im Rahmen eines Praxistests für regional-ökologische Beschaffung an Berliner Schulkantinen wurde eine
„regionale Lücke“ identifiziert. Diese Lücke besteht aus fehlender Verarbeitungsinfrastruktur frischer Waren, fehlender Vermarktung, suboptimal ausgerichteter Beschaffungsstrukturen (Großhandelssortiment) und mangelnden pro-regionalen Vergabekriterien bzw. zu großen Losgrößen für kleinstrukturierte Caterer. Als logische Konsequenz der "local food" Bewegung in den USA, und um regionale Wertschöpfungsräume effektiv zu mobilisieren, sind dort seit den frühen 2000er Jahren über 400 sogenannte „regional food hubs“ entstanden. Diese Art kooperativer
Wertschöpfungsnetzwerke sind zentral gelegene Einrichtungen, die für einen geografischen Umkreis von ca. 100 km die Bündelung, Lagerung, Verarbeitung, Distribution und Vermarktung von regionalen Erzeugnissen, wie z.B. die
Gemeinschaftsverpflegung organisieren.

NEUE WEGE setzt mit einem innovativen Modell an: Ein hybrider Foodbub nach Leipziger Modell soll bestehende Logistik-Infrastrukturen stärken, Kooperation und Netzwerkbildung innerhalb der nachhaltigen regionalen Wertschöpfungsketten anregen und zur Steigerung der Nachfrage nach regionalen Produkten führen. Das Leipziger Modell adaptiert bestehende hybride Food Hub-Modelle auf die Gegebenheiten und Anforderungen einer bundesdeutschen Großstadt, die in einer aufstrebenden Region liegt, die von großlandwirtschaftlichen Strukturen geprägt ist. Der hybride Food Hub nach Leipziger Modell bringt Akteure aus Stadtverwaltung und Gesellschaft, Unternehmen der regionalen Land- und Ernährungswirtschaft und Kantinen zusammen, bündelt Warenströme, vermittelt Wissen und trägt zum Kapazitätsaufbau bei. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig und dem Ernährungsrat Leipzig soll eine Multi-Akteur-Allianz gebildet werden, die mit vereinten Kräften Nachhaltigkeit, Gesundheit und Gemeinwohlleistungen im Ernährungssystem voranbringt.

 

Wissenschaftliche Vorarbeiten

Auf konzeptioneller Ebene fehlt ein übersichtlicher Ansatz, der Gemeinwohlleistungen, Nachhaltigkeitsbeiträge und bio-regionale Wertschöpfungsketten verbindet. NEUE WEGE verknüpft hier zwei komplementäre Ansätze. Die Universität Kassel-Witzenhausen hat auf Basis der SDGs (Sustainable Development Goals, internationale Nachhaltigkeitsziele der UN) ein Rahmenkonzept für ein mögliches Monitoring-System entwickelt. Dieses macht deutlich, welche SDG-Unterziele über territoriale ökologische Ernährungssysteme adressiert werden können und für die NachhaltigkeitstTransformation des Ernährungssystems von besonderer Relevanz sind.


Abbildung: Conceptual framework for monitoring the SDG- performance in OFSs and its transformative potential towards SFSs

Regionalwert Research bringt mit der Regionalwert-Methode einen betriebswirtschaftlichen Ansatz zur Nachhaltigkeitsbewertung und Messung von Gemeinwohlleistungen ein. Zum Regionalwert-Konzept gehört das Verständnis von regionalen Wertschöpfungsräumen als räumliche und infrastrukturelle Verknüpfung von Wertschöpfungsketten, die über lineare Ketten hinaus gehen. In Ernährungssystemen werden nicht nur Nahrungsmittel hergestellt und verarbeitet, sondern die Akteure erbringen Gemeinwohlleistungen für Umwelt, Gesellschaft und Regionalökonomie ( https://regionalwert-research.de/regionale-wertschoepfungsraeume/ ). Diese Wertschöpfung lässt sich auf betrieblicher Ebene anhand der Regionalwert- Methode bewerten und monetär messen. Methodischer Hintergrund ist Sustainable Performance Accounting ( https://regionalwert-research.de/sustainable-performance- accounting/ ).

Für die Landwirtschaft liegt mit der Regionalwert-Leistungsrechnung ein Online- Instrument vor, dass die betriebliche Wertschöpfung für das Gemeinwohl anhand von 500 Kennzahlen bewertet und beziffert ( https://regionalwert-research.de/regionalwert- leistungsrechnung/ , https://www.regionalwert-leistungen.de/leistungsrechnung/ ). Im Rahmen von NEUE WEGE dient die Regionalwert-Leistungsrechnung dazu, die verdeckten Gemeinwohlleistungen landwirtschaftlicher Betriebe im Raum Leipzig sichtbar zu machen.


Abbildung: Regionalwert Leistungsrechnung Beispielrechnung ©Regionalwert Leistungen GmbH

 

Wissenschaftliche Entwicklung in NEUE WEGE

Durch die Verknüpfung von SDG-Monitoring-Ansatz und Regionalwert-Ansatz entwickeln wir im Rahmen von NEUE WEGE einen SustainScore. Es handelt sich um ein integratives Indikatorenmodell, das Nachhaltigkeitspotentiale und -Leistungen im regionalen Wertschöpfungsraum sichtbar macht. Der SustainScore bezieht drei Bereiche der Wertschöpfungskette ein: die landwirtschaftliche Produktion, die Bündelung anhand des Food Hubs sowie die den Bereich der Gemeinschaftsverpflegung.
Der Sustain Score ermöglicht es die Entwicklung im Wertschöpfungsraum Leipzig zu messen und zu monitoren. Ein derartiges Monitoring-System ermöglicht es Kommunen, ihre Nachhaltigkeitsziele im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich (z.B. 20% Bio- Landbau in der Region oder 30% Bio in der Gemeinschaftsverpflegung) mit dem Status Quo abzugleichen und konkrete Zielpfade zu formulieren sowie ihre Umsetzung zu überprüfen.
Im Verlauf des Projekts werden die Daten und Indikatoren konkretisiert auf die Wertschöpfungsketten und Bündelungsprozesse, die im Rahmen des Food Hubs nach Leipziger Modell aufgebaut und gestärkt werden. Die Entwicklung und Nutzung des Sustain Scores wird von der Multi-Stakerholder-Lenkungsgruppe flankiert, die als Teil des Leipziger Food Hubs im Rahmen des Projekts aufgebaut wird.

 

Pilotphase

Sowohl die wissenschaftlichen Konzepte, als auch die Bündelungsfunktion des hybriden Leipziger Food hHubs wird im Rahmen von Testwochen im Jahr 2025 getestet und evaluiert. Dabei werden fünf bis sechs Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung ihre Menüs strategisch planen nach Gesichtspunkten des Planetary Health Ansatzes und der bio-regionalen Verfügbarkeit. Die Gemeinwohlleistungen und der Nachhaltigkeitsbeitrag, die damit verbunden sind, werden anhand des Sustain Scores untersucht. Zusätzlich werden praktische Angebote der Ernährungsbildung wissenschaftlich begleitet.
Infolge der Analyse der Pilotphase werden Handlungsempfehlungen entwickelt: sowohl für eine Verstetigung im Wertschöpfungsraum Leipzig, als auch für die Dissemination des hybriden Food hHub-Konzepts mit SustainScore.

Das Projekt beabsichtigt die Entwicklung eines hybriden Leipziger Food Hub-Modells als Bündelungsinstrument für regional und nachhaltig erzeugte Produkte. Gleichzeitig regt es die Kooperation und Netzwerkbildung innerhalb der bio-regionalen Wertschöpfungsketten an und führt so zu einer Steigerung von Angebot und Nachfrage nach regionaler Produkte. Letztlich soll der Food hHub auch als Instrument des Wissenstransfers dienen und zum Kapazitätsaufbau beitragen.

gefördert durch

aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Projektpartner

Kooperationspartner

gefördert durch

aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages